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PolitikKroatien

Kroatien nach der Wahl: Ein Sieger und viele Ungewissheiten

18. April 2024

Die bisher regierende national-konservative Partei des Premierministers Andrej Plenkovic bleibt die stärkste politische Kraft in Kroatien. Dennoch ist unklar, ob sie die neue Regierung wird bilden können.

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Ein Mann in Anzug steht in einer Gruppe formell gekleideter Menschen und schneidet einen Kuchen mit den Buchstaben HDZ an.
Einen Kuchen für den Sieger der Wahl. Die HDZ hat die meisten Sitze errungenBild: Mehmed Smajić/DW

Am Ende blieb die Überraschung aus: Die national-konservative Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) bleibt trotz Verlusten die stärkste politische Kraft bei den Parlamentswahlen in Kroatien. Laut Angaben der staatlichen Wahlkommission erhielt das Wahlbündnis um die Partei nach Auszählung fast aller Stimmen 61 von 151 Sitzen im kroatischen Parlament - sechs weniger als bei den Wahlen vor vier Jahren.

Weit abgeschlagen mit 42 Sitzen folgt das links-liberale Bündnis "Die Flüsse der Gerechtigkeit", angeführt von der Sozialdemokratischen Partei (SDP). Ein enttäuschendes Ergebnis, nicht nur für die Partei, sondern auch für den amtierenden kroatischen Präsidenten Zoran Milanovic. Der hatte sich überraschenderweise im März zum Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten erklärt und blieb es inoffiziell bis zur Wahl auch - offiziell durfte er als amtierender Staatspräsident nicht antreten.

Da die beiden stärksten Parteien damit weit entfernt sind von den nötigen 76 Sitzen für eine parlamentarische Mehrheit, wird den drei kleineren Bündnissen eine zentrale Rolle zuteil.

Eine Gruppe Menschen steht nebeneinander und schaut auf einen nicht-sichtbaren Bildschirm, alle tragen rote Bänder um den Hals.
Enttäuschung beim Bündnis "Flüsse der Gerechtigkeit": Mit Präsident Milanovic als inoffiziellem Spitzenkandidat hatte sich das Parteibündnis mehr Zuspruch erhofftBild: Mehmed Smajić/DW

Drittstärkste Kraft wurde mit 14 Sitzen die rechtsnationale, in Teilen auch rechtsextreme "Heimatbewegung". Sie setzt sich überwiegend aus abtrünnigen HDZ-Mitgliedern zusammen. Danach folgt mit elf Sitzen die konservativ-nationale Partei "Die Brücke". Dritte im Bunde ist die grün-liberale Partei "Wir schaffen es!" mit zehn Sitzen.

Die verbleibenden Parlamentssitze teilen sich diverse Kleinstparteien sowie die Parteien der ethnischen Minderheiten.

Plenkovic will neue Regierung bilden

Der seit acht Jahren regierende Ministerpräsident Andrej Plenkovic erklärte sich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse zum Wahlsieger und lud in seiner kurzen Siegesrede alle Parteien, die eine Zusammenarbeit nicht strikt abgelehnt hatten, zu Verhandlungen ein. Damit schloss er eine mögliche große Koalition mit der SDP ausdrücklich aus. Plenkovic sagte, sein Ziel sei es, "sobald wie möglich eine neue Regierung zu bilden".

Kameras filmen eine Gruppe Menschen in einem großen Saal, die sich freut.
Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse jubelten Anhänger der HDZ. Im Vergleich zur Wahl 2020 hat die Partei jedoch sechs Sitze verlorenBild: Mehmed Smajić/DW

Das dürfte sich jedoch als schwieriges Unterfangen gestalten. Denn alle Parteien haben sich im polarisierenden Wahlkampf vor allem als Gegenpol zur HDZ profiliert und mehrmals betont, dass sie nicht mit ihr zusammen regieren wollen.

Die HDZ war in den 33 Jahren seit der Unabhängigkeit Kroatiens 26 Jahre lang an der Macht. Ihr wird massive Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Allein in den acht Jahren Regierungszeit von Plenkovic hat dieser 30 Minister austauschen müssen - 28 davon wegen der Verwicklung in verschiedene Korruptionsskandale.

Kommt eine Zeit der Instabilität?

Der Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Pedja Grbin sagte nach der Wahl: "Die Ergebnisse haben gezeigt, dass zwei Drittel der Bürger einen Wechsel wollen." Deswegen werde er jetzt in Verhandlungen mit allen treten, "die bis gestern immer wieder betont haben, dass sie nicht mit der HDZ zusammenarbeiten wollen".

Ein Mann in schwarzem Mantel steht in einer Traube Menschen, die ihn filmen und ihm Mikrofone hinhalten.
Kroatiens Präsident Zoran Milanovic hatte sich als Schatten-Kandidat für das Amt des Premierministers aufstellen lassenBild: Antonio Bronic/REUTERS

Für den Politologen Davor Gjenero ist klar, dass eine Regierungsbildung auch für die Sozialdemokraten schwierig werden könne, gerade zu den rechtsnationalen Parteien seien die politischen Differenzen enorm. "Es ist zu befürchten, dass uns eine lange Zeit der politischen Instabilität bevorsteht", sagte er dem kroatischen Wirtschaftsportal Lider. Weil es unmöglich sein könnte, eine parlamentarische Mehrheit zu bilden, hält er es für denkbar, dass es zu Neuwahlen kommt.

Beunruhigend für Europa

Aus europäischer Sicht dürfte dieses Wahlergebnis beunruhigend sein. Bisher galt Andrej Plenkovic als loyaler und kooperativer Partner in Brüssel und auch als Garant der Stabilität auf dem ansonsten politisch eher instabilen Balkan. Ein schwacher, möglicherweise von nationalistischen und rechtspopulistischen Parteien abhängiger Regierungschef Kroatiens wäre eine zusätzliche Belastung für die EU.

Sein Rivale Milanovic dagegen, der seit seinem Amtseintritt als Präsident vor vier Jahren mit deftigen populistischen Parolen auffällt, wurde oft wahlweise mit dem ungarischen Premier Viktor Orban, dem slowakischen Regierungschef Robert Fico oder dem früheren US-Präsidenten Donald Trump verglichen. Mehrmals hatte er sich ausdrücklich gegen die militärische Unterstützung für die Ukraine ausgesprochen.

Hohe Wahlbeteiligung

Eine Besonderheit der Wahlen war die ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung. Schon der kurze, aber rhetorisch heftige Wahlkampf hatte es vermuten lassen, die langen Schlangen vor den Wahllokalen am Vormittag hatten es dann bestätigt: Diesmal sind bei der Parlamentswahl in Kroatien so viele Menschen wählen gegangen wie schon lange nicht mehr.

Menschen stehen in einer Reihe auf dem Bürgersteig, Autos fahren an ihnen vorbei.
Vor den Wahllokalen in Kroatien bildeten sich teils schon am Morgen lange SchlangenBild: Mehmed Smajic/DW

Viele Kroatinnen und Kroaten hatten den Eindruck, dass es tatsächlich um etwas geht, dass sie eine echte Wahl haben. So liegt, laut Angaben der staatlichen Wahlkommission, die Wahlbeteiligung bei über 62 Prozent. Bei der Wahl im Jahr 2020 waren es nur knapp 47 Prozent.