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KonflikteUkraine

Aktuell: Scholz will "demnächst" wieder mit Putin reden

10. Juni 2023

Bundeskanzler Scholz will die Verbindung zu Russlands Präsident Putin nicht abreißen lassen. Kanadas Premier Trudeau reist überraschend nach Kiew. Der Überblick.

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Deutschland | Olaf Scholz am Evangelischen Kirchentag
Kanzler Scholz auf dem Evangelischen Kirchentag in NürnbergBild: Thomas Lohnes/epd-bild/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Scholz setzt auf neues Gespräch mit Putin
  • Trudeau überraschend in Kiew - weitere Militärhilfen 
  • Selenskyj will keine "Einzelheiten" nennen
  • Kühlteich des Atomkraftwerks Saporischschja unter Druck
  • Putin: Atomwaffen-Verlegung nach Belarus im Juli

 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, dass er bald wieder mit Russlands Präsident Wladimir Putin sprechen möchte. Er habe dies eine Weile nicht mehr gemacht, sagt Scholz auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. "Ich habe vor, dies einmal demnächst wieder zu tun", fügt er hinzu.

Putin müsse verstehen, dass Russland seine Truppen zurückziehen müsse. Er selbst sei nicht gegen Verhandlungen, aber entscheidend sei "wer mit wem und worüber" spreche, sagte der Kanzler. "Es ist nicht vernünftig, die Ukraine zu zwingen, dass der Raubzug, den Putin gemacht hat, sanktioniert und akzeptiert wird und dass ein Teil des ukrainischen Territoriums einfach Russland wird", betonte Scholz unter großem Applaus.

Er ergänzte, Putin finde, dass Russland nicht groß genug sei. In Europa dürften aber keine Grenzen mehr gewaltsam verschoben werden. "Niemand ist die Einflusszone seines Nachbarlandes." Er werde weiter darauf achten, dass aus dem Krieg kein Konflikt der NATO mit Russland werde, weil dies "furchtbare Konsequenzen für die ganze Welt" hätte.

Kanadas Premier in Kiew

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau ist zu einem unangekündigten Besuch in Kiew eingetroffen. "Willkommen in der Ukraine", twitterte der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk ein Foto, das zeigt, wie er Trudeau am Bahnhof in Empfang nimmt. Medienangaben nach hat die Visite mit einer Kranzniederlegung für die ukrainischen Gefallenen nahe dem St. Michaelskloster im Zentrum der Hauptstadt begonnen.

Zusammen mit Trudeau ist auch die kanadische Vize-Regierungschefin Chrystia Freeland nach Kiew gereist. Ottawa gilt als einer der größten Unterstützer Kiews bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg und hat der Ukraine unter anderem auch Panzer vom Typ Leopard übergeben. Trudeau selbst war bereits im Mai 2022 in der ukrainischen Hauptstadt. 

Weitere Militärhilfen aus Ottawa

Bei seinem nun zweiten Besuch sagte Trudeau der Ukraine weitere Militärhilfen im Umfang von etwa 500 Millionen kanadischen Dollar (knapp 350 Millionen Euro) zu. Außerdem werde sich Kanada dem multinationalen Ausbildungsprogramm ukrainischer Kampfpiloten und der Wartung von Kampfpanzern des Typs Leopard anschließen. Mit Blick auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms stelle Kanada außerdem weitere zehn Millionen kanadische Dollar (knapp sieben Millionen Euro) für humanitäre Hilfe bereit.

Trudeau bekräftigte die fortlaufende Unterstützung für das von Russland angegriffene Land. "Kanada steht an der Seite der Ukraine mit allem, was nötig ist und solange es nötig ist", sagte er. "Das ist ein folgenreicher Moment für die Ukraine, aber auch ein folgenreicher Moment für die Welt." Kanada hat Kiew nach eigenen Angaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bislang bereits Militärhilfen im Umfang von mehr als einer Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt. 

Selenskyj nennt "keine Einzelheiten"

Die ukrainische Armee geht Staatschef Wolodymyr Selenskyj zufolge derzeit mit "Gegenoffensiv-Aktionen" an der Front gegen die russischen Truppen vor. In der Ukraine fänden derzeit "Gegenoffensiv- und Defensiv-Aktionen" statt, er werde dazu aber "keine Einzelheiten" nennen, sagte Selenskyj in Kiew nach einem Treffen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau. Somit blieb unklar, ob Selenskyj sich auf die große Gegenoffensive bezog, die die ukrainische Militärführung seit Monaten geplant und angekündigt hat.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky umarmt den kanadischen Regierungschef Justin Trudeau
Herzliche Begrüßung: Wolodymyr Selensky heißt Kanadas Premier Justin Trudeau willkommenBild: Frank Gunn/AP/picture alliance

Am Freitag hatte der russische Präsident Wladimir Putin gesagt, die ukrainische Gegenoffensive habe begonnen. Die russische Armee spricht bereits seit sechs Tagen von großangelegten, ukrainischen Gegenangriffen. Sowohl Putin als auch Armeevertreter erklärten aber, russische Kräfte hätten die ukrainischen Angriffe zurückgeschlagen und Kiew herbe Verluste zugefügt.

Die ukrainische Seite hat Stillschweigen über ihre Großoffensive verkündet. Am Samstag sprach Serhij Tscherewaty, Sprecher des Ostkommandos der ukrainischen Armee, von einem ukrainischen Vorrücken um 1400 Meter rund um die zerstörte Stadt Bachmut im Osten des Landes - deren Einnahme Moskau im Mai vermeldet hatte. 

Mehrere Todesopfer in Odessa

In der ukrainischen Hafenstadt Odessa sind durch nächtliche russische Drohnenangriffe  mehrere Menschen getötet und verletzt worden. "Infolge eines Luftkampfes sind Trümmer einer Drohne in die Wohnung eines mehrgeschossigen Hauses gestürzt und haben ein Feuer ausgelöst", teilte das Oberkommando der ukrainischen Heeresgruppe Süd mit. Durch die Flammen seien drei Zivilisten ums Leben gekommen. 26 weitere Personen wurden demnach verletzt.

Das von Drohnentrümmern getroffene Wohngebäude in Odessa im Scheinwerferlicht der Feuerwehr
Das von Drohnentrümmern getroffene Haus in Odessa im Scheinwerferlicht der Feuerwehr Bild: UKRAINIAN ARMED FORCES/REUTERS

Die ukrainische Luftwaffe teilte später ergänzend mit, dass Russland insgesamt 35 Drohnen und acht Raketen auf Ziele in der Ukraine gelenkt habe. 20 Drohnen des iranischen Typs Shahed und zwei ballistische Raketen seien abgeschossen worden. Die russischen Angriffe hätten sich nicht allein gegen Odessa, sondern auch gegen Ziele in der Region Poltawa  und in Charkiw gerichtet.

Ukraine, Kreminna | Ukrainische Soldaten nahe der Front
Ukrainische Soldaten an der Frontlinie im OstenBild: Roman Chop/AP/dpa/picture alliance

Einige Stunden zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin verkündet, die lang erwartete Gegenoffensive der Ukraine sei schon im Gange. Es gebe bereits seit Tagen "intensive Kämpfe". Außerdem behauptete er, die Ukrainer hätten an keinem Frontabschnitt ihre Ziele erreicht. Das ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Die Führung in Kiew hält sich offiziell derzeit noch bedeckt.

Kühlteich des AKW Saporischschja unter Druck

Nach dem Dammbruch am Dnipro rückt der große Kühlteich des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja in den Fokus der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Der Druck auf den Deich rund um den Teich steige auf der Innenseite, da an der Außenseite der Pegel des aufgestauten Flusses stark gefallen sei, meldete die IAEA in Wien. Die Atomenergiebehörde - die Beobachter in dem russisch besetzten AKW stationiert hat - beobachte die Lage genau, berichtete IAEA-Chef Rafael Grossi. Dem Atomkraftwerk drohe zwar kurzfristig keine Gefahr, doch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms und zunehmende militärische Aktivitäten würden für "erhebliche neue Schwierigkeiten" sorgen, so Grossi.

Kampf ums Überleben in Cherson

Der Staudamm war in der Nacht zum Dienstag gebrochen, große Mengen Wasser traten aus. Tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Regierungen in Kiew und Moskau werfen einander gegenseitig vor, für den Vorfall verantwortlich zu sein.

Schweden sendet "klares Signal" an Russland 

Schweden will vorläufige NATO-Stützpunkte auf seinem Territorium erlauben - noch bevor es volles Mitglied des Militärbündnisses ist. "Die Regierung hat entschieden, dass die Armee Vorbereitungen mit der NATO und NATO-Mitgliedstaaten vornehmen kann, um künftige gemeinsame Einsätze zu ermöglichen", erklärte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson.

"Die Entscheidung sendet ein klares Signal an Russland und stärkt Schwedens Verteidigung", betonten Kristersson und sein Verteidigungsminister Pal Jonson. Schweden hatte ebenso wie Finnland als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im vergangenen Jahr die NATO-Mitgliedschaft beantragt. Beide Länder brachen so mit einer langen Tradition weitgehender militärischer Neutralität.

Finnland wurde am 4. April als 31. Mitglied in die NATO aufgenommen. Der Beitritt Schwedens wird hingegen weiterhin von der Türkei blockiert. Deren Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert von Schweden die Auslieferung kurdischer Aktivisten.

Putin: Atomwaffen-Verlegung nach Belarus im Juli

Russland will nach eigenen Angaben im kommenden Monat mit der Verlegung von Atomwaffen nach Belarus beginnen. Die Planung zur Unterbringung der Waffen "wird am 7. oder 8. Juli abgeschlossen sein", erklärte Kremlchef Wladimir Putin nach einem Treffen mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Sotschi. Daraufhin werde die Stationierung der Atomwaffen beginnen. "Alles verläuft nach Plan", so Putin.

Russland, Sotschi |  Alexander Lukaschenko trifft Wladimir Putin
Wladimir Putin (l.) mit Alexander Lukaschenko am Schwarzen MeerBild: Gavriil Grigorov/Pool/Sputnik/Kremlin/AP/dpa/picture alliance

Bei der Ankündigung der Stationierung Ende März hatte der russische Präsident gesagt, er habe mit Lukaschenko vereinbart, dass Russland und Belarus nun "dasselbe tun" wie die USA auf dem Gebiet ihrer Verbündeten. Westliche Staaten verurteilten damals Putins Vorgehen - auch, weil er seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine mehrfach über die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes gesprochen hatte.

Rheinmetall-Chef preist Qualität deutscher Waffen

Der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, hat Verluste von Deutschland gelieferter Waffensysteme in der Ukraine eingeräumt. Zugleich lobte er aber deren Qualität. "Im Leben gibt es immer Verluste", sagte Papperger im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Grundsätzlich hätten sich die in Deutschland entwickelten und produzierten Waffensysteme in der Ukraine bewährt, betonte der Rüstungsmanager.

"Die Rückmeldungen der Ukrainer zu den deutschen Waffen sind sehr positiv", berichtete Papperger. Zum Teil seien die Hersteller selbst von deren Standfestigkeit überrascht. "Nehmen Sie die Panzerhaubitze PzH2000, deren Chassis und Waffensysteme Rheinmetall geliefert hat. Wir sagen eigentlich, dass das Rohr nach etwa 4500 Schuss gewechselt werden muss. Die Ukrainer aber schießen bis zu 20.000 Schuss", so Papperger.

Ukraine | Panzerhaubitze 2000 in der Donbas-Region
Eine "Panzerhaubitze 2000" im Einsatz in der Donbass-Region (Archiv)Bild: REUTERS

VTB rechnet mit milliardenschwerem Gewinn

Trotz Finanzsanktionen erwartet die russische Großbank VTB nach eigenen Angaben einen Rekordgewinn. Nach einem Rekordverlust 2022 gehe das im Staatsbesitz befindliche Geldhaus von einem Ergebnis von rund 400 Milliarden Rubel (umgerechnet 4,5 Milliarden Euro) für das laufende Jahr aus, sagte VTB-Chef Andrej Kostin der Nachrichtenagentur Reuters. Der Westen hatte die Bank wegen des russischen Einmarschs in der Ukraine im Februar 2022 mit Strafmaßnahmen belegt.

Freiheitsorchester geht erneut auf Tour

Aus Solidarität mit Kriegsopfern will das "Ukrainian Freedom Orchestra" erneut auf Tournee durch Europa und die USA gehen. Der Tourauftakt soll am 20. August in Warschau stattfinden, danach sind auch Auftritte in Berlin (24. August) und Hamburg (30. August) geplant, wie die Metropolitan Opera in New York mitteilte.

Berlin Konzertprobe | Ukrainian Freedom Orchestra
Konzertprobe des "Ukrainian Freedom Orchestra" in Berlin (2022)Bild: DW

Das Ensemble vereint ukrainische Musikerinnen und Musiker, die in verschiedenen Orchestern spielen. Bereits im vergangenen Jahr war es auf Tour gegangen. Schirmherrin der Initiative ist die First Lady der Ukraine, Olena Selenska.

haz/se/sti/jj/wa/fw (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.