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Wirtschaftsweise: Doch keine Rezession

22. März 2023

Die sogenannten Wirtschaftsweisen rechnen in diesem Jahr anders als in ihrer Herbstprognose nun mit einem leichten Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Weiterhin wird die hohe Inflation die Wirtschaftsleistung hemmen.

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Deutschland | Wirtschaftsweise aktualisieren Konjunkturprognose
Der Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen EntwicklungBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Die Wirtschaftsweisen rechnen wegen der hartnäckig hohen Inflation nicht mit einem kräftigen Aufschwung in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr um 0,2 Prozent wachsen, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Ausblick des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Im November war noch ein Rückgang von 0,2 Prozent vorausgesagt worden.  Für das kommende Jahr rechnen die Regierungsberater mit einem Wachstum von 1,3 Prozent.

"Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust, die schlechteren Finanzierungsbedingungen und die sich nur langsam erholende Auslandsnachfrage verhindern einen stärkeren Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr", sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer.

Höhepunkt der Inflation überschritten

Die Regierungsberater sehen den Hochpunkt bei der Inflation mittlerweile überschritten. Sie sei aber immer noch deutlich erhöht und dürfte nur langsam zurückgehen. Im Jahresdurchschnitt wird für dieses Jahr mit einer Inflationsrate von 6,6 Prozent gerechnet, nach 6,9 Prozent im vergangenen Jahr. "Die Inflation kommt zunehmend in der Breite der Wirtschaft an", sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding. "Die gestiegenen Erzeugerpreise und die zu erwartenden Lohnsteigerungen dürften die Verbraucherpreisinflation noch bis ins kommende Jahr hinein hochhalten." Erst 2024 dürfte die Teuerungsrate merklich zurückgehen, und zwar auf 3,0 Prozent.

Deutschland | Symbolbild Inflation | Lebensmittel
Vor allem Lebensmittel und Energie sind PreistreiberBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Die straffere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) verschlechtere die Finanzierungsbedingungen, was sowohl die Konsumnachfrage als auch die Investitionen dämpfe. Dies dürfte sich aber erst im Verlauf des Jahres merklich auf die Inflation auswirken und deren Entwicklung spürbar bremsen. "Die Inflation ist noch weit vom Ziel der EZB von zwei Prozent entfernt, daher dürften weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr erforderlich sein", sagte die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier. "Die hohe Unsicherheit an den Finanzmärkten der vergangenen Wochen erschwert allerdings die Inflationsbekämpfung durch die Zentralbanken.

Stabilität der Finanzmärkte gesichert

Die Wirtschaftsweisen rechnen trotz der jüngsten Turbulenzen in der Bankenbranche nicht mit einer Neuauflage der Finanzkrise von 2008. "Die Unsicherheit an den Finanzmärkten ist zwar durch die Schließung der Silicon Valley Bank und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zuletzt gestiegen", heißt es in der Prognose. "Anders als in der globalen Finanzkrise basieren die Schwierigkeiten einzelner Banken aber nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten."

Schweiz Bank l Credit Suisse Filiale in Genf l Logo, Spiegelung
Credit Suisse Filiale in Genf Bild: Fabrice Coffrini/AFP

Zudem seien derzeit weder der Interbankenmarkt noch die Kreditversorgung der Realwirtschaft gestört. "Die Finanzmarktstabilität dürfte daher nach Einschätzung des Sachverständigenrates aktuell nicht gefährdet sein", so das Gremium um ihre Vorsitzende Monika Schnitzer. Zwar seien die schnell gestiegenen Zinsen für das Finanzsystem eine Herausforderung. Die Banken hätten aber bis auf sehr wenige Ausnahmen ein gut funktionierendes Liquiditätsmanagement und könnten steigende Zinsen gut verkraften.

Warnungen wegen drohender Gasmangellage

Vor allem wegen der drohenden Gasmangellage hatten die Sachverständigen im Herbst noch vor erheblichen Abwärtsrisiken gewarnt. In ihrem Jahresgutachten sagten sie der deutschen Wirtschaft deshalb eine Rezession voraus. Allerdings hat sich die Lage an den Energiemärkten seitdem entspannt. Auch die EU-Kommission hatte ihre Erwartungen an die deutsche Wirtschaft zuletzt nach oben geschraubt und geht ebenso wie die Bundesregierung von einem minimalen Wachstum aus.

In der aktualisierten Prognose warnte das Gremium, auch mit Blick auf den kommenden Winter bestünden "erhebliche Risiken" bei der Energieversorgung. "Um die Gasspeicher wieder vollständig aufzufüllen und eine Gasmangellage im kommenden Winter zu verhindern, müssen wir weiterhin umfangreich Energie sparen", sagte die Sachverständige Veronika Grimm. Das gelte selbst dann, wenn Deutschland seine Importe ausweite.

Deutschland Wilhelmshaven | Eröffnung von LNG-Terminal | Spezialschiff "Höegh Esperanza"
Neus LNG-Terminal in WilhelmshavenBild: Axel Heimken/AFP/Getty Images

Arbeitsmarkt bleibt weiter stabil

Trotz des mauen Wachstums dürfte sich der Arbeitsmarkt in Deutschland stabil entwickeln. Die Erwerbstätigkeit etwa sollte bis Ende 2024 leicht zunehmen. Allerdings droht 2023 das vierte Jahr in Folge mit sinkenden Reallöhnen. "Zumindest für das Jahr 2023 ist der Lohnanstieg niedriger als die erwartete Inflation", sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger. "Mit einem Anstieg der Reallöhne ist erst im kommenden Jahr zu rechnen." Dies dürfte dann den privaten Konsum beleben.

Deutlich optimistischer blicken die Regierungsberater auf die Staatsfinanzen. Insbesondere die erwarteten Ausgaben für die Energiepreisbremsen fallen deutlich niedriger aus als zuvor angenommen. Der Sachverständigenrat erwartet ein Staatsdefizit von 1,6 Prozent im laufenden Jahr, das 2024 auf 0,4 Prozent schrumpfen soll. Der Schuldenstand soll von 67,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr auf 63,5 Prozent im kommenden Jahr sinken.

ul/dk  (rtr, dpa, afp)